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Wirtschaftliches Umfeld

Wirtschaftliches Umfeld
Das deutsche Wirtschaftsmodell ist von einer starken Außenhandelsorientierung geprägt, wobei für einzelne Branchen der chinesische Markt von großer Bedeutung ist. So wird mittlerweile jedes dritte in Deutschland produzierte Auto nach China verkauft. Allerdings ist der deutsche Außenhandel in seiner Gesamtheit stärker diversifiziert, sodass eine häufig angesprochene Abhängigkeit von China nicht zutreffend ist. Zu betonen ist auch die Bedeutung der Industrie in dem Wirtschaftsstandort Deutschland, deren Anteil an der Wertschöpfung 18% ausmacht. Trotz gestiegener Energiepreise ist Deutschland auch im vergangenen Jahr für ausländische Investoren ein attraktiver Standort geblieben. Diese investieren verstärkt in Zukunftstechnologien, wie etwa in den Bereichen Halbleiter, Batterieproduktion und -recycling. Dabei kommt Deutschland eine strategische Bedeutung für den Zugang zum gesamten EU-Binnenmarkt zu. Den Großteil der Investitionen steuern die in Deutschland tätigen Unternehmen bei, ihr Anteil liegt bei 55% der gesamten Investitionssumme. Die Ausgaben betreffen insbesondere Maschinen, Fahrzeuge, Wirtschaftsbauten und zunehmend auch geistiges Eigentum. Besonders im Bereich Innovationen ist die deutsche Wirtschaft auf dem Vormarsch. Im Innovations-Ländervergleich der Vereinten Nationen ist Deutschland im Jahr 2022 vom zehnten auf den achten Platz vorgerückt. Gut bewertet wurde das Innovationsklima, in der Kategorie „Humankapital und Forschung“ gelang ein zweiter Platz hinter Spitzenreiter Südkorea. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung haben im Jahr 2021 in Deutschland mit 112,6 Milliarden Euro einen Höchststand erreicht.  

Aktuelle Chancen und Zukunftsperspektiven

Eines der größten gesellschaftlichen Großprojekte Deutschlands ist zurzeit die Energiewende, mit dem ehrgeizigen Ziel, bis 2030 rund 80% des Energiebedarfs durch erneuerbare Energien zu decken. Dies bedeutet nahezu eine Verdoppelung des Anteils der erneuerbaren Energien an der Energieerzeugung in weniger als zehn Jahren. Ferner hat sich die aktuelle Bundesregierung das Ziel einer weitgehend emissionsfreien Energieversorgung bis 2050 gesetzt. Die Umsetzung dieser Ziele ist mit enormen Kosten verbunden, die in ihrer Größenordnung mit anderen gesellschaftlichen Großprojekten, wie zum Beispiel der Wiedervereinigung vergleichbar sind. Entsprechend ambitioniert sind die für die Zielerreichung avisierten Maßnahmen. Die Länder sollen bis zum Jahr 2032 zwei Prozent ihrer Landesflächen für Windkraft ausweisen. Solarenergie wird nach dem neuen EEG (Erneuerbaren Energiegesetz) als „überragend öffentliches Interesse“ eingestuft und erhält in Planungsprozessen entsprechend Vorrang. Steuerliche Förderungen von Solarstrom und dessen höhere Vergütung schaffen weitere Anreize. Moderne Technologieunternehmen sind die Profiteure der Transformation, so zum Beispiel die Zulieferindustrien der erneuerbaren Technologien. Das Wachstum des Markts für Wechselrichter von Solaranlagen ist beispielsweise beachtlich. Weltweit wurde eine Zunahme der Lieferungen um 22% von 2021 zu 2022 verzeichnet, wobei ein Viertel auf den europäischen Markt fällt. Europa, allen voran Deutschland, Italien und die Niederlande, verzeichneten einen beachtlichen Anstieg der Lieferungen um mehr als 50% in einem Jahr. Die weltweit führenden Anbieter von Wechselrichter halten dabei einen Marktanteil von 82%. An erster Stelle liegt dabei Huawei, Platz zwei geht ebenfalls an ein chinesisches Unternehmen, nämlich Sungrow. Der Energieertrag aus Sonne, Wind und Wasser ist jedoch schwankend, Speichertechnologien haben ferner nur begrenzte Kapazitäten. Deshalb kommt Wasserstoff, insbesondere grünem Wasserstoff, als stofflicher Energieträger eine zentrale Rolle zu.  Entsprechend großes Potential für zukunftsfähige Arbeitsplätze wird aus diesem Sektor erwartet. Der Ausbau erneuerbarer Energien muss mit einem deutlichen Netzausbau und die Schaffung von Stromspeichern, zum Beispiel Pumpspeichern, einhergehen. Zudem müssen neue, sich in der Forschungsphase befindliche Speichertechnologien marktfähig werden. Ein weiterer Pfeiler der Energiewende ist die Steigerung der Energieeffizienz, wo vor allem der Gebäudesektor große Potentiale birgt. Neben dem eigentlichen Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugern, wie Solar- und Windkraftanlagen und der entsprechenden Infrastruktur zur Energiespeicherung und des -transports, werden eine moderne und flexible Verwaltung, der Aufbau von Know-how und nicht zuletzt Fachkräfte für die Anlageninstallation und die Herstellung der Infrastruktur notwendig sein. Für die Transformation werden technischen Produktionsberufen und Bauberufen eine große Bedeutung zukommen. Dazu gilt es Fachkräfte entsprechend für die neuen Kompetenzanforderungen auszubilden und vor Abwanderung zu sichern.  

Im Fokus: Patentrecht

Patentrechtliches Umfeld

Diese wirtschaftlichen Entwicklungen spiegeln sich auch im Patentwesen wider, denn für die Entwicklung und Investition in neue Technologien wird in der Regel über den Schutz durch Patente abgesichert. So haben die Patentanmeldungen am Europäischen Patentamt in den vergangenen Jahren weiter zugenommen und sind insbesondere im Jahr 2022 um weitere 2,5% gewachsen. Die größten Zuwächse bei den Patentanmeldungen sind aus den Ländern USA, China und Südkorea zu verzeichnen, was das Engagement der Wirtschaftsunternehmen aus diesen Ländern in Europa und insbesondere Deutschland verdeutlicht. In absoluten Zahlen gemessen kommen nach den USA dabei die meisten Anmeldungen aus Deutschland, was die Innovationskraft und die wirtschaftlichen Anstrengungen in diesem Markt bestätigt. Entsprechend der aktuellen Entwicklungen ist dabei der größte Zuwachs bei den Patentanmeldungen im Bereich elektrischer Maschinenbau und Energietechnik zu verzeichnen. Bei über 190.000 Neuanmeldungen beim Europäischen Patentamt in 2022 wird deutlich, dass weltweit die Unternehmen hohe Summen in die Absicherung ihrer Innovationen im europäischen Markt investieren. Bei zunehmendem Wettbewerb und sich verändernden Marktanteilen werden diese Schutzrechte dann auch in Patentstreitigkeiten eingesetzt. Das deutsche Rechtssystem nimmt dabei im Bereich der Patentstreitigkeiten eine herausragende Rolle ein. Mehr als die Hälfte dieser Verfahren in Europa werden vor deutschen Gerichten ausgetragen. Die deutschen Gerichte gelten als sehr erfahren und kompetent, sowie zügig in der Entscheidungsfindung. Die deutschen Streitverfahren sind vergleichbar kostengünstig, was die Attraktivität des Standorts Deutschland für Patentstreitigkeiten weiter erhöht.  

Besonderheiten der deutschen Patentstreitverfahren

Da in Deutschland die Landgerichte für Patentverletzungsfälle zuständig sind, haben die meisten Bundesländer die Möglichkeit genutzt, um Patentstreitkammern einzurichten. Dies bietet den Vorteil, dass sich diese Kammern stärker spezialisieren und besondere Erfahrungen in der Handhabung solcher Verfahren aufbauen können. Derzeit sind in Braunschweig, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Mannheim, München und Nürnberg Patentstreitkammern eingerichtet. Die Patentstreitkammern an den Landgerichten in Düsseldorf, München und Mannheim bearbeiten dabei nahezu 80% der jährlichen Streitfälle. Über die Jahre haben sich diese drei Gerichtsstandorte einen entsprechenden internationalen Ruf aufgebaut, so dass an diesen drei Standorten zusammen allein in 2021 knapp 800 neue Patentverletzungsklagen eingereicht wurden. Daher ist es wenig verwunderlich, dass an diesen Gerichten jeweils zwei bis drei Patentstreitkammern existieren, um diese große Anzahl an Verfahren zu bewältigen. Eine deutsche Besonderheit ist, dass sich die Patentstreitkammern ausschließlich mit der Entscheidung über die Patentverletzung befassen. Über den Rechtsbestand der Patente wird hingegen getrennt vom Verletzungsverfahren am Bundespatentgericht verhandelt. Eine weitere Besonderheit des deutschen Patentsystems besteht darin, dass die Nichtigkeitssenate des Bundespatentgerichts jeweils aus zwei juristischen und drei technischen Mitgliedern bestehen. Die unterschiedlichen Nichtigkeitssenate haben sich darüber hinaus auf unterschiedliche Technologiebereiche spezialisiert, so dass eine hohe technische Expertise gewährleistet ist. Diese Spezialisierung des Bundespatentgerichts verbunden mit den ebenfalls spezialisierten Patentstreitkammern hat ebenfalls zur Attraktivität des Gerichtsstandorts Deutschland für Patentstreitigkeiten beigetragen. In der Vergangenheit führte diese Besonderheit oft dazu, dass im Verletzungsverfahren bereits eine erstinstanzliche Entscheidung vorlag, bevor über den Rechtsbestand des Patents verhandelt wurde. Dieser oft als „Litigation Gap“ bezeichnete Umstand führte nicht selten dazu, dass sich die beteiligten Parteien bei drohender Unterlassung bereits nach der erstinstanzlichen Entscheidung im Verletzungsverfahren einigten. Dieses „Litigation Gap“ wurde allerdings durch Änderung des Patentgesetzes im August 2021 dadurch geschlossen, dass das Bundespatentgericht nun schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt des Nichtigkeitsverfahrens und damit auch des Verletzungsverfahrens einen vorläufigen Hinweis bezüglich voraussichtlich entscheidungsrelevanter Gesichtspunkte erlässt. Dieser vorläufige Hinweis ermöglicht es wiederum dem Verletzungsgericht, auf einer gesicherteren Basis über die Aussetzung des Verletzungsverfahrens wegen mangelnder Validität des Patents zu entscheiden. Neben den Gerichten spielt bei den Patentverletzungsverfahren auch die verfügbare „Anwaltsinfrastruktur“ eine große Rolle und diese kann in Deutschland eine entsprechende Expertise aufweisen. Aufgrund der großen Anzahl an Patentverletzungsverfahren war und ist es nämlich möglich, dass sich Rechtsanwälte und sogar ganze Rechtsanwaltskanzleien auf Patentverletzungsverfahren spezialisieren. In diesem Zusammenhang spielt noch eine weitere deutsche Besonderheit eine Rolle. Patentanwälte vertreten ihre Mandanten in Patentnichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht und dem Bundesgerichtshof und unterstützen die Rechtsanwälte in den parallelen Verletzungsverfahren. Diese Art der Teamarbeit ermöglicht äußerst effiziente Verfahrensführung. Ähnlich den Rechtsanwaltskanzleien haben sich dabei auch einzelne Patentanwaltskanzleien auf Patentstreitigkeiten spezialisiert.  

Start des Einheitlichen Patentgerichts

Diese Teams aus erfahrenen deutschen Rechts- und Patentanwälten werden auch eine entscheidende Rolle in den Verfahren am Einheitlichen Patentgerichts (EPG) spielen. Aktuell ist nämlich in der europäischen Patentgemeinschaft die Einführung des Einheitlichen Patentgerichts (EPG) am 01. Juni 2023 von größter Bedeutung. Siebzehn europäische Staaten sind an das Gericht gebunden, das für Fragen der Verletzung und der Rechtsgültigkeit von Einheitspatenten und europäischen Patenten zuständig ist. Das Gericht besteht aus einem Gericht erster Instanz, einem Berufungsgericht und einer Kanzlei. Das Gericht erster Instanz umfasst eine Zentralkammer mit Sitz in Paris und einer Abteilung in München, sowie 13 Lokal- und 4 Regionalkammern. Das Berufungsgericht hat Sitz in Luxemburg. Die deutschen Lokalkammern des EPG sind in Düsseldorf, Mannheim, München und Hamburg angesiedelt und verfügen über sehr erfahrene Richter. Somit wird sich auch der Rechtsweg über eine der deutschen Lokalkammer des EPG als attraktive Alternative zu den deutschen Patentstreitkammern etablieren. Ein großer Vorteil für den Standort Deutschland im Zusammenhang mit den aktuellen Entwicklungen ist, dass auch die deutschen Patentanwälte über Erfahrung vor den entsprechenden Gerichten verfügen. Gerade vor dem EPG und dessen zeitlich sehr engen Vorgaben werden diese Kompetenzen von großer Bedeutung sein, zumal nach der deutschen Patentrechtsreform in 2021 das deutsche Verfahren dem Verfahren vor dem EPG bei manchen zeitlichen Vorgaben sehr nahe kommt. Abzuwarten ist, wie sich die Einführung auf die deutschen Patentstreitkammern auswirken wird. Die erfahrenen deutschen Richter und nicht zuletzt die Unterlassungsansprüche, die in deutschen Verfahren als Standardmaßnahmen zur Verfügung stehen, werden den Gerichtsstandort Deutschland auch in Zukunft weiter attraktiv halten. Die deutschen Verfahren können, im Gegensatz zum neuen Einheitlichen Patentgericht, auf eine sehr große Anzahl an höchstrichterliche Urteile des Bundesgerichtshofs und somit auf eine solide Grundlage ständiger Rechtsprechung zurückgreifen. Eine solche Grundlage wird sich das EPG erst noch in den nächsten Jahren erarbeiten müssen, sodass der nationale deutsche Rechtsweg weiterhin attraktiv bleiben wird.  

Zukunftsperspektiven in Patentstreitsachen

Zwar wird wohl anzunehmen sein, dass anfänglich das EPG und die deutschen Patentstreitkammern um die neuen Patentstreitverfahren konkurrieren werden. Allerdings darf durchaus angenommen werden, dass das EPG für bestimmte Patentstreitigkeiten attraktiv wird, die eventuell an den deutschen Patentstreitkammern nicht anhängig gemacht worden wären. Unabhängig davon dürften die eingangs geschilderten wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen dafür sorgen, dass die Patentstreitigkeiten weiter zunehmen. Neben dem Biotech- und Pharmabereich ist wohl damit zu rechnen, dass auch im Bereich Telekommunikation/Internet und erneuerbare Energien die Anzahl der Fälle zunehmen wird. War in der Vergangenheit eine Vielzahl der Patentstreitfälle auf den Mobilfunkbereich gerichtet, so dürften in Zukunft durch die zunehmende Vernetzung der Geräte die Streitigkeiten im Bereich WiFi und Internet of Things (IoT) zunehmen. Durch die zunehmende Verbreitung der Streamingdienste, die immer mehr das konventionelle Fernsehen ersetzen, dürfte auch hier eine zunehmende Monetarisierung der entsprechenden Patentportfolien zu erwarten sein. Aber auch im Bereich der erneuerbaren Energien werden zunehmend Patentstreitigkeiten sichtbar. Angefangen bei der Solarzellen- über die notwendigen Inverter- hin zur Speichertechnologie werden immer größere Patentportfolien aufgebaut und zum Teil bereits eingesetzt. Gerade die Energiewende wird in diesem Bereich eine Vielzahl von Änderungen im Markt mit sich bringen, die erfahrungsgemäß durchaus von entsprechenden patentrechtlichen Auseinandersetzungen begleitet werden. Dies wird sich mit Sicherheit nicht nur auf den Solarbereich beschränken, sondern auch Bereiche wie z.B. Wärmepumpen und Windkraft betreffen. Mit der Zentralkammer des EPG in München, den jeweiligen Lokalkammern des EPG in Düsseldorf, Mannheim, München und Hamburg, den renommierten Patentstreitkammern, dem Bundespatentgericht sowie dem Deutschen Patent- und Markenamt und dem Europäischen Patentamt wird Deutschland nicht nur ein attraktiver Standort für Patentstreitigkeiten bleiben, sondern seine Stellung im gewerblichen Rechtsschutz in Europa weiter ausbauen. Auch für Anwaltskanzleien, die in diesem Bereich tätig sind, ist der Standort Deutschland höchst attraktiv. Gerade Kanzleien aus UK, die noch kein Standbein in Deutschland hatten, haben spätestens mit dem Brexit begonnen, auch in Deutschland Fuß zu fassen. Parallel dazu haben nicht wenige Kanzleien in Hinblick auf das EPG angefangen, eine sogenannte „Mixed Practice“, also einen Zusammenschluss von Rechts- und Patentanwälten aufzubauen bzw. diese auszubauen. Auch diese Entwicklung dürfte sich bis zu einem gewissen Grad fortsetzen, auch wenn patentstreiterfahrene Unternehmen sich ihr Team von auf Patentstreitverfahren spezialisierten Patent- und Rechtsanwälten unabhängig davon oft aus unterschiedlichen Kanzleien zusammenstellen.